..и Зимой не закончится – Ein nie endender Winter
Shame on me, shame on me… Da habe ich doch tatsächlich bereits seit 4 Monaten nicht mehr geschrieben. War ja eigentlich klar, hahaha… Nun habe ich diesen Blog jedoch hauptsächlich für nachkommende Freiwillige angefertigt, weshalb ich trotzdem einen Sinn darin sehe in fortzuführen. Ja vier Monate sind ja schon eine halbe Ewigkeit, vor allem in einem fremden Land, denn tatsächlich hat sich erst gegen Januar ein gewisser Alltag eingestellt…
Naja wovon berichte ich denn, wenn doch die letzten Monate so voll von Impressionen waren? Von allem! – Und deshalb werde ich diesen Eintrag übersichtshalber mal aufteilen und mit dem allgemeinsten anfangen:
Part I – Der russische Winter.
Ja, da kam ich hier her mit dem Gedanken „den russischen Winter muss man mal erlebt haben“, naja muss man nicht unbedingt… 😉 Also versteht mich nicht falsch, aber es ist jetzt März und vom Frühling fehlt hier noch jede Spur; ja und der Winter… der nervt! Aber ich sollte das jetzt auch nicht zu einseitig erzählen, denn der russische Winter hat auch wirklich wunderschöne Facetten. Zum einen sollte man erwähnen, dass wir hier mal richtig weiße Weihnacht hatten undzwar so 100%ig, wie das sein muss. Darüber hinaus hatten wir auch wirklich jede Menge Winterspaß mit Schlitten, Schlittschuhen oder einfach nur beim „Slicen“ auf den gefrorenen Pfützen in der ersten kalten Nacht. Ja wenn ich jetzt dran zurückdenke, ja der Anbruch der Winterzeit war schon der Hammer. Ja und dann friert auf einmal die Newa, ein wirklich großer Fluss komplett ein, aber nicht ein bisschen, nein riiiesen Eisschollen schwammen auf einmal dort wo früher mal Transportschiffe fuhren… Und dann blickt man aus dem Fenster und es sieht einfach nur eisig aus und dann aufs Thermometer und das zeigt – 25° an. Ja meine Lieben, an unserem kältesten Abend waren es tatsächlich -28°. Und das Thermometer auf dem Weg von der Arbeit zeigte über Monate nur noch zweistellige Zahlen an.. Jaja, der russische Winter ist auf jedenfall ein Winter, das kann man sagen. Und ich muss mich an dieser Stelle nochmal korrigieren, denn jetzt wo ich wieder zurückdenke: den russischen Winter muss man tatsächlich mal erlebt haben! Denn so sehr er jetzt nervt, so märchenhaft war er auch. Vor allem in Kombination mit dem herrlichen Licht hier in St. Petersburg hat mir die Natur hier mal wieder gezeigt wie wunderschön sie einfach sein kann. Ja, erst heute morgen.. habe aus Versehen den falschen Bus zur Arbeit genommen und musste, weil kein Bus mehr kam, vom Nachbarort zu meinem Arbeitsort zu Fuß gehen.. Dabei bin ich durch den Wald und obwohl es echt arschkalt war, war es traumhaft.. Die Sonne ging über einem lila-rosa-farbenen Himmel auf und wurde von Schneefeldern und Eisbäumen en masse reflektiert… Haha da meckere ich hier über den Winter, wo ich doch heute morgen erst stehen geblieben bin um den Moment festzuhalten und mal wieder festzustellen, dass ich sowas schönes erst selten im Leben gesehen habe. Ach zu schade, dass ich meine Kamera nicht dabei hatte, denn ich finde nicht die Worte um auch nur ansatzweise zu beschreiben, in welcher Pracht sich die Schönheit dieser Welt und des russischen Winters sich mir heute morgen offenbart hat. Also an dieser Stelle russischer Winter, Check, lohnt sich, ABER jetzt möchte ich Frühling, Sonnenschein & endlich wieder Lust rauszugehen 😉
Part II – Moskau/Nizhni Novgorod – meinen Wurzeln auf der Spur..
Erwähnenswert ist natürlich auch eine der Reisen meines Lebens nach Moskau meiner Geburtsstadt und anschließend Nizhni Novgorod der Herkunft meiner Mutter, mit meiner lieben Annuschka, die auch diese tollen Fotos gemacht hat, im Dezember.
Ja damit dieser Eintrag nicht ewig lang wird, versuche ich mich auf das Wesentlichste zu beschränken. Beide Städte sind in jedem Fall eine Reise wert, wobei Moskau auf meinem persönlichen Russlandstädteranking leider nur Platz 3 hinter St. Petersburg, Nizhni Novgorod jedoch auf Platz 1 fällt. Die Reise war eine wahre Russlandreise und hat sehr zu meinem Verständnis des Landes und seiner Geschichte beigetragen..
Das ist auch das Interessante an Moskau, Moskau ist eine Stadt, die ihre Geschichte zeigt.. Verschiedene Baustile unterschiedlicher Epochen, aber vor allem das „Kreuz-und Quer“ zeigen, dass sich sich diese Stadt Stück für Stück entwickelt hat, so sieht man zum Beispiel zwischen Hochhäusern und Plattenbauten immer wieder kleine niedliche Kirchen, denn Moskau ist im Grunde genommen nur der Überbegriff für viele kleine Dörfer gewesen. Dass daraus eine Metropole entstanden ist, ist erst jüngste Geschichte und hat sich vor allem erst zu UdSSR Zeiten so entwickelt… Auch den Einfluss und die Veränderungen seit der Sowjetunion sieht man noch deutlich, so wurden wir während der Stadtbesichtung immer wieder darauf aufmerksam gemacht, was früher alles anders war und wo nicht überall einmal einer DER Läden der Sowjetunion war. Tja heute ist dies anders, denn das GUM ist nicht mehr das einzige Shopping-Center und auch ansonsten unterscheidet sich Moskau diesbezüglich nicht mehr von anderen Großstädten, erwähnenswert ist an dieser Stelle doch: Zeigen Russen einem eine Stadt, wird man immer auch auf die Geschäfte und Einkaufsmöglichkeiten aufmerksam gemacht, die es doch gibt „Siehst du wir haben Prada und dort ist auch Versace und da drüben…“, dass diese Marken Einzug nach Russland gefunden haben, scheint trotzdem noch nichts selbstverständliches… Moskau-Besuch 2 ist allerdings schon in Planung, denn trotz meines langen Aufenthalts, habe ich doch vor allem Zeit damit verbracht mit Anna und meiner Familie zu chillen und zu essen (deutscher Käse!!!!), die wichtigsten Dinge Kreml etc. habe ich zwar abgehakt, ja sogar im Bolschoi-Theater war ich – und es war unglaublich!!!! – trotzdem habe ich es vor allen Dingen genossen Zeit mit meiner Familie zu verbringen, die man dann ja doch sehr vermisst (ich merke sowas ja immer erst dann, wenn ich die Menschen, die ich vermisse wiedersehe) und das würde ich auch jederzeit wieder so machen, denn es war echt sehr, sehr schön. Aber Moskau ist riesig und ich möchte und werde es mir noch genauer anschauen.
Nizhni Novgorod, ja die Stadt, die angeblich das „wahre Russland“ (Moskau und St. Petersburg sind ja doch – ja das weiß ich jetzt auch – relativ westlich) zeigen soll, zeigt dies auch: Zwischen modernen Gebäuden finden sich noch zahlreiche alte Holzhäuserbaracken. Es ist zu Schade, dass diese so heruntergekommen sind, doch trotzdem machen genau diese den Charme der Stadt aus, an der Wolga gelegen und Gott sei dank nicht so groß wie die zwei Metropolen, hat diese Stadt – nicht zuletzt wahrscheinlich auch aufgrund meiner persönlichen Verbundenheit mit ihr – einen Platz in meinem Herzen gefunden. Meine russische Lieblingsstadt 🙂 Meine russische Lieblingsstadt beherbergt dann auch einen Teil meiner Familie, den ich zum Größtenteil auch noch nie gesehen habe; bis zu dieser Reise, ich will an dieser Stelle nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass ich mehr als nur aufgeregt war, nun doch endlich meine russische Familie kennenzulernen. Jaaa und was soll ich sagen, meine russische Familie ist super! Wir wurden so herzlich empfangen und trotz meiner – vor allem zu diesem Zeitpunkt noch – sehr bescheidenen Russischkenntnisse haben wir uns sehr, sehr gut verstanden und auch hier habe ich wiedermals eine wunderschöne Zeit mit meiner Familie verbringen können und darüber hinaus auch die russische Gastfreundschaft kennenlernen dürfen. Ja und sowas meine Lieben gibt es dann auch nur in Russland, ein Familienessen mit soooo viel köstlichem Essen (ich übertreibe nicht: sooooooo viel) bei dem sich sämtliche Generationen versammeln und der Wodka nur so fließt, was wiederum dazu führt, dass die Stimmung steigt und das Abendessen in eine unfassbar lustige Feierei mündet, ja sowas sollte man als Halbrussin doch erlebt haben. Check!
Part III – Peterhof und meine Pupsis.
Weiterhin der schönste Part meines Jahres hier ist meine Arbeit! Zwar war gerade die letzte Zeit vor allen Dingen anstrengend, trotzdem bleibe ich dabei: ich liebe diese Arbeit! Ach mittlerweile kenne ich meine Pupsis schon so gut und jaa ich hab sie so in mein Herz geschlossen und zwar jeden einzelnen. Das Schöne ist, dass ich mittlerweile eine Routine in der Pflegearbeit drin habe, sodass ich mich am Nachmittag den schöneren Sachen widmen kann. So spiele ich nun viel häufiger mit ihnen, wir tanzen oder ich schnappe mir einen einzelnen um mit ihm zu „arbeiten“. Dabei fallen mir zunehmend Dinge auf, die die Pupsis besonders stark fesseln, so liebt zum Beispiel Jegor Musik total. Haha und Leute, das ist so ziemlich das lustigste der Welt: ich bringe Jegor jetzt immer Kopfhörer mit und lasse ihn Musik von meinem Ipod hören und Jegor steht total auf: Hip Hop! und wenn er dann dazu tanzt, dann macht er ganz von sich aus die typischen Hip-Hop-Moves, haha das ist einfach zu gut! Mit Ilja habe ich nun sogar physio-therapeutische Übungen und das macht ihm sooo viel Spaß und das wiederum mir! Dann habe ich in letzter Zeit mehrfach Ausflüge z.B. in ein Art-Studio (alternatives Kunstprojekt), Aquarium oder in die Kirche mit ihnen unternommen oder auch einfach nur einen Spaziergang außerhalb des Heimes. Es ist sooo schön, die Leute außerhalb der Heimumgebung zu sehen und jedes Mal wieder eine „Lehre“, denn dass wir so viele Freiheiten besitzen ist einfach ein Geschenk. Die Freude auf ihren Gesichtern erinnert mich daran, dass auch wir uns an solchen für uns doch alltäglichen Dingen öfter erfreuen sollten, es ist einfach unglaublich wie sehr sie sich freuen können, wo es ihnen doch eigentlich so „schlecht“ geht. Ich glaube jedoch, dass unsere Maßstäbe relativ unangebracht sind um das Leben der Bewohner des Heimes zu beschreiben, denn sie haben eine ganze andere Wahrnehmung, die sich unserem Verständnis nun mal einfach entzieht, weshalb ich mich damit schwer tue, zu sagen, dass es ihnen schlecht geht, ich scheitere an dieser Stelle mal wieder an den Grenzen der Sprache… Ich komme nicht drum herum mich immer wieder zu fragen, was denn nun eigentlich wahr ist, wenn doch alle Menschen eine ganze unterschiedliche Vorstellung bzw. Wahrnehmung der Realität haben.. ach jetzt fang ich schon wieder an rumzuphilosophieren.. Was ich eigentlich sagen will: Es ist einfach eine totale Ehre, dass ich in Peterhof arbeiten kann! Ich lerne so viel von den Bewohnern, sie geben mir so viele neue Denkanstöße, sie bringen mich dazu so viele Dinge neu zu hinterfragen und von einem ganz anderen Standpunkt zu betrachten, sie bringen mich so oft zum lachen, ich werde einfach so herzlich behandelt und obwohl sie es oftmals nie wirklich gelernt habe, geben sie mir trotzdem so viel Liebe! Es gibt wirklich kaum ein schöneres Gefühl, als das, wenn ich morgens die Stadtion betrete und meine Bewohnerlein freudestrahlend auf mich zu rennen und jedem zeigen „Алиса пришла“! cheeeeck.
Nun die Hälfte der Zeit ist auch schon vorbei, schon komisch, es ist so viel passiert, es fühlt sich an als würde ich schon immer hier in Russland wohnen und trotzdem sind es doch eigentlich nur 6 Monate. Grade in letzter Zeit überkam mich oft das Heimweh und irgendwie war ich mit meiner Situation hier in Russland auch nicht ganz zufrieden, denn so schön die Arbeit auch ist, gerade in den letzten grauen Wochen, war sie auch sehr anstrengend, dazu war ich dann auch krank und jaa draußen wars grau, sodass ich in eine kleine Winterdepression verfallen bin. Nichtsdestotrotz habe ich diese auch schon fast überwunden und ziehe hiermit mein Halbjahrresumé: 6 Monate und die Up’s and Down’s setzen sich fort, doch wie zu Beginn: die Ups überwiegen, ich freue mich wirklich sehr, diese Entscheidung getroffen zu haben und freue mich über die zahlreichen Erkenntnisse und Eindrücke, dich ich hier bereits gewinnen durfte. Und mann! Ich habe mir einen Lebenstraum erfüllt, ich habe – zwar nichtmal ansatzweise gut, aber ich habe angefangen Russisch zu lernen. CHECK!
Wahrscheinlich wäre „Ein nie endender Eintrag“ ein passenderer Name gewesen; doch Hoffnung, denn: Ende.